Altersklasse: 3+
Isabella, jüngste von 3 Schwestern, ist eine echte Prinzessin. Eine Prinzessin
zu sein, das wünschen sich viele Mädchen, Isabella aber nicht. Sie findet es
sogar langweilig, dass man ihr die Haare frisiert, die Nase putzt und sie in
schöne Kleider steckt. Isabella will lieber Hosen tragen, damit sie auf Bäume
klettern kann, sie will ihre Brote selber schmieren und lachen, wenn ihr danach
ist. Eines morgens wirft sie ihre Krone aus dem Fenster und brüllt: "Ich
will keine Prinzessin mehr sein!" Völlig entsetzt von diesem Aufstand wird
ihr Vater, der König, gerufen der sie wegen ihres ungehörigem Benehmens für
drei Tage, zu niedrigen Arbeiten, in die Küche steckt. Als der König seine Tochter
wieder zu sich rufen lässt und Isabella immer noch nicht ihre Krone aufsetzen
will, schickt er sie für drei weitere Tage in den Schweinestall. Als die Schwestern
angeekelt auf den Gestank von Isabella reagieren beschließt sie mit ihrer Lieblingspuppe
im Schweinestall zu schlafen. Der Vater, der mittlerweile seine Tochter vermisst,
schleicht nachts aus dem Schloss und findet eine dreckige aber glückliche Tochter
vor. Seufzend, und auf ihre Wünsche eingehend bittet er sie wieder in das Schloss
zu kommen. Isabella schlief noch oft im Schweinestall, ihre Kleider verschenkte
sie und ihre Krone setzte sie nur noch ab und zu auf...
In der Geschichte wird ein Mädchen dargestellt, das gegen die ihr zugewiesene
Position protestiert. Es handelt sich hierbei um die soziale Konstruktion einer
Prinzessin die in einem Schloss lebt und alles bekommt "was sich ein Mädchen
wünscht". Man wäscht ihr die Ohren, zieht sie an, dreht ihr Locken und
passt auf, dass sie beim Spielen keine blauen Flecken bekommt. Selbst die Pflege
und Haltung von Affen und Ponys, die die Haustiere der Prinzessin sind, nimmt
man ihr ab. Isabella´s Aufgabe ist es lediglich auf dem Thron still zu sitzen,
beim Hofknicks nicht um zu fallen, mit geschlossenem Mund zu gähnen und eine
Stunde am Tag zu lachen. Die Selbständigkeit, das Verrichten von alltäglichen
Dingen die zum Selbstbewusstsein eines Menschen in der persönlichen Entwicklung
notwendig sind, wird Isabella, durch den sozialen Konstrukt Prinzessin zu sein,
gänzlich aus der Hand genommen. Das Benehmen welches man von ihr abverlangt
lässt sie zu einer steifen, unnatürlichen, unterdrückten Person heran wachsen.
Durch das nächtliche Seufzen auf dem Fensterbrett gelingt es jedoch Isabella
ihre Gedanken zu ordnen und sich von ihren Visionen, Hosen zu tragen, auf Bäume
zu klettern, Brote selbst zu schmieren und zu lachen wenn ihr danach ist, nicht
abbringen zu lassen. Der immer größer werdende Druck, den sie verspürt, lässt
sie eines Morgens als Rebellin erwachen. Sie wirft ihre Krone, das Statussymbol,
aus dem Fenster und löst sich damit von ihren ständigen Kopfschmerzen. Ohne
Krone, d.h. mit der Aufgabe der sozialen Rolle als Prinzessin, kämpft sie nun
eigenständig für die Verwirklichung ihrer Visionen und nimmt dafür die Trennung
von ihrem Elternhaus hin. Sie lernt in der Küche und im Stall handwerkliche
Arbeit kennen und beschließt aufgrund der Abneigung ihrer eigenen Schwestern
die sie erfährt, mit ihrer Lieblingspuppe, welche nun die bisherigen Bezugsperson
ersetzen soll, im Schweinestall zu übernachten und somit eigenständig aus dem
Elternhaus auszuziehen .
Der Vater, der das schlechte Benehmen seiner Tochter nicht billigte und Isabella
für mehrere Tage in niedrigere Arbeit und Räumlichkeiten bringen lies, spürt
nun dass er seine Tochter vermisst. Er schleicht sich nachts, um nicht gesehen
zu werden, aus seinem Haus und findet im Schweinestall seine verdreckte aber
glückliche Tochter wieder. Er legt die soziale Rolle des Königs ab und erlebt
sich nun als Vater. Er geht auf die Wünsche seiner Tochter ein und weicht somit
die soziale Rolle der Prinzessin auf. Er akzeptiert seine Tochter als selbstbewussten
Menschen und bittet sie nach Hause zu kommen.
Isabella, erkennt man auf dem ersten Blick. Mit verschränkten Armen, barfüßig
und einem wütenden Blick schaut sie den Betrachter mit ihrem runden Mondgesicht
an. Ihre größeren Schwestern hingegen sonnen sich völlig vergessen in ihrem
Spiegelbild. Immer wieder schneidet Isabella übertriebene und aussagekräftige
Grimassen. Alle anderen Bewohner des Schlosses, mit Ausnahme des Königs, haben
gleiche ovalen Köpfe mit hochnäsigen Gesichtszügen. Es lässt sich schnell erkennen,
dass es sich in dieser Geschichte um die Beziehung zwischen Vater und Tochter
dreht. Die ironische Darstellung der Personen und deren Eigenschaften, die farbenfrohen
Zeichnungen, der einfach gehaltenen Hintergrund mit seinen versteckten Details
machen dieses Buch zu dem, was man sich immer wieder gerne anschaut und weiter
empfiehlt.
Noch heute ist es in einigen Gesellschaftsschichten unüblich, als Mädchen
auf Bäume zu klettern, sich gegen das Wort des Vaters auf zu lehnen und laut
zu schreien. Prinzessin Isabella ist ein Bilderbuch das Mädchen ermutigen soll,
sich in ihrer Geschlechterrolle nicht unterdrücken zu lassen, sondern ihre natürlichen
Bedürfnisse und individuellen Wünsche zu äußern.
Rezension von Antje Nickel
Verlag: Oetinger Friedrich GmbH Erscheinungsjahr: 1997 Ausführung: Pappband, unzerreissbar (PpU)