Regina Nösslers Kunst ist es, den alltäglichen Schrecken, die kleinen Abgründe
des menschlichen Beisammenseins in eine sich immer bedrohlicher aufschaukelnde
Handlung einzubinden.
Sie kann sich vor allem an die Wolken erinnern. Nur dass es vor dreißig Jahren
weniger Kondensstreifen gab. Elisabeth Ebel, Mitte vierzig, ist Lektorin und
Korrektorin. Außerdem ist sie eine gute Tochter. Oft reist sie von Berlin zu
ihrer Mutter, die in Wattenscheid alleine in einem zu großen Haus lebt und sich
weigert, ins betreute Wohnen zu ziehen. Auch mit sechsundvierzig erträgt Elisabeth
es kaum, dass ihre Mutter an allem herummäkelt und sie und ihre Art zu leben
immer abgelehnt hat. Sie war das Kind, das man fragte, ob es sich nicht endlich
einen anständigen Job suchen wolle. Nach ihren Liebesbeziehungen wurde sie nie
gefragt. Sie wurden totgeschwiegen. "Wenn wir nie eine von denen kennenlernen,
dann gibt es das auch nicht." Elisabeth fühlt sich zunehmend verfolgt,
in Berlin, dann auch in Wattenscheid und sogar unterwegs im Zug. Paranoia? Martin
hat seit Wochen seine Wohnung nicht verlassen. Er fürchtet sich vor Menschen.
Ein längst verschüttet geglaubtes Geheimnis verbindet die beiden. Sie wissen
nicht, dass sie heute in Berlin-Kreuzberg fast Nachbarn sind. Elisabeths alte
Mutter jammert und triezt ihre Tochter. Manchmal kommt Elisabeth ein unaussprechlicher
Gedanke: ihr ein Kissen ins Gesicht zu drücken. Mutterliebe und auch Tochterliebe
sind keine Selbstverständlichkeit. Familie ist eine höchst komplizierte Angelegenheit.
Und Teenager können grausam sein, heute wie vor dreißig Jahren.
Verlag: Konkursbuch Verlag
Seiten: 380 S. Erscheinungsjahr: 2017 Ausführung: Kartonierter Einband (Kt)