Der Vorraum der Bar war voller Plakate und Flugblätter: Square Dance-Kurse
für Lesben (Plakat handgemalt und fotokopiert), ein Motherlode-Konzert im alten
Ogdon-Theater und eine Frauen-Strip-Show hier im Blue Ryder in Denver (letzteres
war am anzüglichsten). Officer Allson Kaine blieb in der Doppeltür stehen. Sie
war immer noch überrascht, daß solche Shows gezeigt wurden. Als sie neunzehn
war, wären die Frauen bei einer solchen Veranstaltung auf die Barrikaden gegangen,
und sie selbst hätte in der ersten Reihe gestanden und gegen die Frauenfeindlichkeit
der Show protestiert. Vielleicht war es ja ein Zeichen größerer Vielfalt und
Toleranz, aber vielleicht gingen sie auch alle einfach nur den Bach runter.
Am Christopher Street Day hatte es dieses Jahr sogar eine Travestie-Nummer zum
Playback von "I am a Woman" gegeben, und Frauen, die sich noch vor
zehn Jahren fürchterlich darüber aufgeregt hätten, lagen mit ihren Retortenbabys
seelenruhig im Gras und klatschten.
Allson hatte etwas zu lange vor sich hin gegrübelt, so daß Officer Robert
Ellis, seit zwei Jahren ihr Partner, ihr einen leichten Schubs in den Rücken
gab. Nur ein freundlicher, kleiner "Wir haben zu tun"-Schubs, kein
"Los, Mensch, bringen wir's hinter uns"-Schubs, obwohl sie den Verdacht
hatte, daß letzteres eher seinen tatsächlichen Gefühlen bei den Routinekontrollen
in der Bar entsprach. Nicht, weil er je etwas gesagt hätte, nein, sondern weil
selbst sie sich unwohl fühlte, und dabei gehörte sie sogar dazu, war Teil der
Lesbenszene.
Es würde nur zehn Minuten dauern, sich zu vergewissern, daß keiner der Cowboys
von nebenan aus dem Mile High Rodeo hereingekommen war, um Ärger zu machen oder,
was für die meisten Lesben noch schlimmer war, ein sexuelles Abenteuer zu suchen.